Neptun im Löwen - Astrologie im Wassermannzeitalter.

Neptun im Löwen findet ein geheimes, fast intimes Vergnügen in Macht, Ehre und lautstarkem Ansehen. Er empfindet eine mystische Ehrfurcht – bei einem verletzten Neptun auch Furcht – gegenüber jeder Form direkter Autorität über sich: sei es ein Vorgesetzter, die äußere Welt oder Gott. In seinen Gebeten stellt er sich Gott als eine herrschende, imperativ auftretende Gestalt vor. Während bei einem Neptun in Wasserzeichen (Krebs, Skorpion, Fische) die göttliche Liebe als etwas Natürliches empfunden wird, bleibt sie für den Neptun im Löwen, besonders auf niedriger und mittlerer Entwicklungsstufe, eine abstrakte Vorstellung.
Der religiöse Traum dieser Generation ist die Eroberung der Welt durch den eigenen Glauben.

Auf niedriger Ebene äußert sich das als Fanatismus – jedoch nicht in Form impulsiver Ausschreitungen, sondern als sorgfältig geplante Kreuzzüge oder brutale Missionierung, die die nationalen Traditionen und die Kultur eines „rückständigen“ Volkes zerstört. Der Hauptwahrnehmungskanal des Neptuns im Löwen ist der energetische Imperativ. Genau das wird zur Quelle seiner Irrtümer und seines Selbstbetrugs. Er glaubt, mit der Kraft seiner Energie jeden inneren oder äußeren Prozess kontrollieren zu können – und hält das für den einzig verlässlichen Weg. Dabei unterliegt er gleich zwei Täuschungen. Erstens nimmt er schwache energetische Regungen – sowohl in der Außenwelt als auch in seiner eigenen Psyche – überhaupt nicht wahr. Und zweitens, falls er sie doch bemerkt, misst er ihnen keinerlei Bedeutung bei. So lässt er sich leicht in die Irre führen – durch eine glänzende, aber falsche Idee ablenken, durch auflodernen Enthusiasmus seine kritische Haltung schwächen. Sowohl äußere Autoritätsstrukturen als auch das persönliche und kollektive Unterbewusstsein bedienen sich dieser Methode im Umgang mit dieser Generation. Neptun verwischt Grenzen und verschiebt Bedeutungen.

Erst auf hoher Stufe der Aufarbeitung beginnt der Mensch zu verstehen: Der Pathos und die wahre Bedeutung einer revolutionären, gegenrevolutionären, evolutionären oder involutionären Idee liegen nicht in ihrem wörtlichen Inhalt, sondern in ihrer Intonation. Die wahre zerstörerische oder schöpferische Kraft einer Idee ist am Wesen zu erkennen, nicht an der Lautstärke ihrer Parolen. Recht hat nicht derjenige, der am lautesten schreit. Doch die Funken individuellen Bewusstseins, die zur nationalen Ebene aufsteigen, werden häufiger von Historikern erkannt als von Zeitgenossen. Bis zum Zeitalter des Wassermanns gab es kaum Propheten im eigenen Land, die praktische und schöpferische Ideen offen, ehrlich und ohne Despotismus vertreten konnten.